Trixi Gisler
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Seppi Moser zeigt vor seinem Confiserie-Wagen die Ehrenmitglied-Urkunde der IG Luzerner Herbstmesse und Märkte. Bild: Stefan Kämpfen
Er war das Gesicht hinter so denkwürdigen «Chilbi»-Fahrgeschäften wie dem Fliegenden Teppich, der Schiffschaukel oder dem Freefall Tower. Nun geht der 65-jährige Seppi Moser mit seinem Confiserie-Wagen in seine letzte «Chilbi»-Saison. Im ausführlichen Interview blickt der Tausendsassa auf sein intensives Leben und Wirken zurück.
1974 ist Seppi Moser bei seinem Vater Josef in das Schausteller-Gewerbe eingestiegen, das seit 66 Jahren von der Familie betrieben wird. Seither war der umtriebige Alleskönner kaum mehr von lokalen und überregionalen «Chilbis» mehr wegzudenken. Bereits zum fünfzigsten Mal nimmt Moser an der Luzerner Herbstmesse (30. September bis 15. Oktober) und an der Kilbi Reussbühl (22. bis 24. September) teil und fast 30 Jahre lang fungierte er als Tombolachef an der Luzerner Määs. Aber auch ausserhalb von Zuckerwatte, gebrannten Mandeln und nervenaufreibenden Fahrgeschäften machte sich der gebürtige Stadtluzerner einen Namen, zum Beispiel als Mättli-Zunftmeister, Bauchef und Platzmeister des Luzerner Weihnachtsmarkts und im Ufschötti-Kiosk, den er 14 Jahre lang betrieb. Auf seiner «Chilbi»-Abschiedstournee amtet Moser noch als Fachvertreter Schausteller und organisiert – zusammen mit der IG Luzerner Herbstmesse und Märkte – die Eröffnung und Promotion der Lozärner Määs (Organisator ist die Stadt Luzern), bevor er im Mai 2024 seine vielseitigen Tätigkeiten an den Nagel hängt.
Seppi Moser, erzählen Sie uns bitte Ihren Werdegang. Welches waren die wichtigsten Eckpunkte Ihrer Geschichte?
Angefangen hat es 1957 an der Luzerner Määs. Damals hatte meine Mutter Frieda einen Los-Stand, – ein «Eisenbähnli», das mein Vater selbst gebastelt hat. Ich war also praktisch von Geburt an mit dabei im Schausteller-Geschäft. 1960 folgte ein Rössli-Spiel und 1962 eine Autoscooter-Anlage. 1974 bin ich von der Schule gegangen, um bei meinem Vater einzusteigen. 1975/76 habe ich mir einen Popcorn- und Zuckerwatten-Stand angeschafft, – danach folgte eine Schiessbude. Zu der Zeit verdiente man nicht viel Geld. Ich arbeitete im Winter im Freileitungsbau und machte Überlandfahrten als Lastwagen-Chauffeur, unter anderem für die Eichhof-Brauerei. 1977/78 trat mein Vater im Schausteller-Gewerbe etwas kürzer, um vor der damaligen EPA einen Soft-Ice-Stand, am Schweizerhofquai einen Verkaufsstand und an der ‹Chilbi› einen Confiserie-Wagen aufzumachen. Meine Mutter bediente seinerzeit die Kasse beim Autoscooter. Ich war schon sehr früh selbstständig an der Chilbi tätig und habe nach und nach Anschaffungen, wie ein Karussell und einen Autoscooter, getätigt. Weiter habe ich zwei Karussells bauen lassen sowie den Fliegenden Teppich und den Freefall Tower gekauft. Im Jahr 1978, als ich zwanzig Jahre alt wurde, hatte ich an der Lozärner Määs mein erstes Patent für den ‹Hau den Lukas».
Wie viele Fahrgeschäfte waren in der Spitze in Ihrem Besitz?
In einem Jahr hatte ich auf einem ‹Chilbi›-Platz mit Autoscooter, Bude, Confiserie, Tower, Karussell, Spiel- und Boxkästen ungefähr 20 Wagen. Dazu gehörten auch Mannschafts-, Kassen-, Mittelbau-, Wägeli- und Bauwagen sowie mein eigenes Auto und der Lastwagen.
Sie haben Ihren Rücktritt auch schon in früheren Jahren angekündigt. Wird es einen Rücktritt vom Rücktritt geben?
Nein. Es war zwar schwer, die Bahnen abzugeben und mit 60 Jahren habe ich den Ufschötti-Kiosk meinem Neffen überlassen, aber ich bin wegen vieler arbeitsbedingten Blessuren lange im Spital gewesen. Ich hatte die Zehen kaputt, die Hand eingeklemmt, das Knie zweimal und mein Herz einmal operieren lassen, Darm- und Schwarzer Hautkrebs und eine ISG-Arthrose usw.. Ich habe mir auch sämtliche Rippen gebrochen.
Wie das?
Früher musste man seine Anlagen selbst bewachen, da die Securitas mehr kostete, als die Platzmiete. In den frühen Morgenstunden kam es auf dem Land dann und wann zu Konfrontationen mit Angetrunkenen. Heute macht dies der Sicherheitsdienst und es ist heute auch ruhiger geworden. Ich war von morgens bis am abends immer vor Ort gewesen und habe alles selbst gemacht. Ich bin froh, dass ich aufhören kann. Man darf die Zeit nicht verpassen.
Was wurde aus all Ihren Fahrgeschäften?
Ich habe alles an andere Schausteller, die eine Zusatzbahn benötigten, verkauft. Neu kaufen, dass kann man heutzutage vergessen. Ich habe es noch in der guten Zeit verkauft, als man noch einen fairen Preis dafür erhielt.
Wie sehen Sie die Zukunft des Schausteller-Geschäfts?
Ich persönlich sehe leider keine gute Zukunft für das Gewerbe. Alles ist teurer geworden, man findet kaum mehr Personal und die Auflagen für Strom, Wasser und Transport werden immer strenger. Für den Stromanschluss beispielsweise muss man ein zusätzliches Gerät vorschalten, das 700 Franken mehr kostet. Wegen Corona mussten auch viele aufgeben. Nach der Pandemie war es schwierig, geeignetes Personal zu finden.
Sie werden zum letzten Mal an der Kilbi Reussbühl zugegen sein. Was dürfen Besucherinnen und Besucher erwarten?
Es ist schwierig, an so einem Ort noch eine ‹Chilbi› zu organisieren. Hier kommt uns die Stadt mit dem Platzgeld sehr entgegen. Ein Schausteller bringt das grösste verfügbare doppelstöckige Karussell mit. Stark in Reussbühl ist vor allem, wie sehr sich die Pfadi engagiert. Ich war gegen die fünfzig Mal an der Reussbühler ‹Chilbi›. Heuer bin ich noch für den Lunapark zuständig, danach wird Markus Nogara (Pfadi) übernehmen.
Wie viele Personen beschäftigen Sie im Moment?
Momentan gar niemand mehr. Während der 16 Tage an der Luzerner Herbstmesse sind es nur noch Bernadette Triner vom Ufschötti-Kiosk, meine Frau Brigitte und meine Schwester Hermine. Früher hatte ich den Autoscooter und den Fliegenden Teppich in Bern sowie das Karussell im Tessin selbst gestellt, ging morgens um 2 Uhr die Friteusen-Öle im Ufschötti-Kiosk wechseln. Danach fuhr ich wieder vor Ort an die ‹Chilbi›. In dieser strengen Zeit beschäftigte ich acht Personen. Es waren immer die gleichen treuen Seelen, die gekommen sind. Ich hatte 16 Jahre lang die gleichen Leute von der gleichen ‹Familie›. Wenn jemand gegangen ist, wurde wieder jemand aus den eigenen Reihen organisiert.
Der Määs-Standort beim Inseli sorgt immer wieder für Diskussionen. Wie ist Ihr Standpunkt?
Ich bin der Meinung, dass die Määs zu gross geworden ist und dass sie verkleinert werden kann. Wir bleiben lieber auf dem Inseli und auf dem Europaplatz und geben dafür den Bahnhofplatz auf. Ich habe zusammen mit der IG LHMM einen Plan gezeichnet, den wir eingegeben haben und ich glaube, er hat gute Chancen, durchzukommen. Darauf haben wir den Platz etwas mehr begrünt, auf drei Fahrgeschäfte verzichtet und dafür eine neue Budenreihe eingezeichnet. So würde die Määs noch vom Riesenrad auf dem Europaplatz bis zum Inseli reichen.
Stefan Kämpfen
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